Das Schlachtfest in der Vogtei


Noch im vorigen Jahrhundert wurde das Fleisch gestossen. Der Metzger brachte Stosseisen mit, die zumeist die Form eines „S“ hatten. Bei dieser Arbeit floß mancher Tropfen Schweiß, deshalb lösten sich die Schlachtfestgäste bei dieser schweren Arbeit in kurzen Zeiträumen ab. Dabei soll oft genug auch ein Holzsplitter mit in die Wurst gekommen sein, damals war man noch nicht so zimperlich. Das nachfolgende Stopfen der Därme mit dem vom Metzger gemischten und gewürzten Met, in der Vogtei Gehacktes genannt, war ebenfalls eine langwierige Arbeit. Neulingen beim Schlachtfest wurde bei dieser Arbeit weisgemacht, als Zeichen ihrer guten Arbeit, müsse an der Stubendecke ein schwarzer Ringel zu erkennen sein. Einer der die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen hatte, wurde zum Holen des Speckhobels oder des Kümmelspalters weggeschickt. An der Abholstelle war der Spass natürlich bekannt, der Abholer bekam einen Stein in seinen Sack gepackt. Wenn der Abholer die Sache durchschaut hatte und sich zu helfen wusste, lies er auf die Rechnung des Auftraggebers in der Gastwirtschaft Bier und Schnaps in den Sack packen. Aber auch das Wurstmaß oder die Sülzenform waren solche Abholobjekte. Wenn sich kein Erwachsener für diesen Spass fand, musste ein Schuljunge daran glauben. Oft genug wurde den Kindern zum Schlachtfest ein Entschuldigungsschreiben für den Lehrer geschrieben. Bei der schlechten Lehrerbezahlung im vorigen Jahrhundert, saß der Dorfschullehrer oft genug mit an der Schlachttafel, deshalb hatte diese Entschuldigung auch immer Gültigkeit. Da soll es auch Mädchen gegeben haben, die ohne Wimperzucken 50 Kümmelkörner sachgerecht gespalten haben. Gemütlicher wurde es für die Schlachtgäste, als der große Fleischwolf für eine Grob- und anschließende Feinzerkleinerung des Fleisches sorgte. Am Anfang musste er noch mit Muskelkraft gedreht werden, erst als ein Motor angebaut war wurde die Arbeit leicht. Die Wurstmaschine ersetzte dann auch das lästige Stopfen der Därme. Mancher überschätzte seine Fähigkeiten beim Wurstbinden und als sie aufgehängt waren lag bald die Hälfte davon am Boden und eine Nacharbeit musste geleistet werden.

Därme und Blasen wurden vor dem Schlachtfest gekauft, da die Därme des Schweines bei der Thüringer Wurstbereitung längst nicht ausreichten. In die Kaufblasen und in die eigene Blase des Schlachttieres kam die Blutwurst. Sie wurde im Kessel gekocht, wehe wenn das nicht lange genug geschah, dann verdarben die Blutwürste bald. Vorsichtig wurden diese auf Holzbrettern oder Kuchenbleche gelagert, da die gekochten Blasen sonst zerrissen wären. Erst nach Tagen wurden die Blutwürste und die schweren Blasen in Netzen aufgehängt. Am Schlachttag hat die Hausfrau schon eine Pökellake bereitet eine Salzbrühe, die in eine Holzbottich gegossen wurde. Speck, Schinken, Beine, Rippen und andere Schlachtteile wurden eingepökelt. Die Pökellake wurde täglich über das Fleisch und den Speck gegossen. Der Speck und der Schinken wurde nach Wochen aufgehängt. So bewahrte die Hausfrau einen guten Fleischvorrat, der bis zum Frühjahr reichte.

Die Zwiebelwurstmasse wurde in den Zwölffingerdarm des Schweines gefüllt, diese Wurst schmeckt frisch am besten. In den Dünndärme kam ein Teil der Blutwurstmasse, diese kleinen Würstchen wurden den Kindern als Geschenk mit nach Hause gegeben; nur der Pate bekam eine große Bratwurst. Später bekamen auch die Kinder kleine Bratwürste mit nach Hause. Der Metzger holte die Kinder unter den Schlachtgästen zusammen, um die Wurst anzumessen, dabei bekamen die Kinder eine Bart aus Blut unter die Nase. Beim Kochen der Blutwürste schöpfte die Hausfrau das Fett ab, dieses Wurstfett hatte eine dunkle Farbe. Im täglichen Verzehr war aber das weiße Schmerfett weitaus begehrter, dass aus den Schmerteile des Tieres ausgelassen wurde. Vorher wurde die Haut vom Schmer abgezogen und von der Hausfrau zu einer Blase zusammen genäht. In die Schmerhaut wurde Gehacktes eingefüllt, diese Wurst schmeckte besonders gut, da sie nicht so stark austrocknete. Das vom Metzger weggeworfene Schweineschwänzchen nahmen die Kinder gern, um es aus Schabernack den Erwachsenen mit einer Sicherheitsnadel anzuheften.

Da das Frühstück gewöhnlich erst um 10 Uhr eingenommen wurde, hatten die Schlachtgäste um die Mittagszeit noch keinen richtigen Hunger, deshalb gab es mittags Kaffee und Zwiebelkuchen, der durfte auf keinem Vogteier Schlachtfest fehlen. Zur Vesper standen wieder die Schlachtprodukte des Tages auf dem Tisch.

Am Abend kamen die Kinder der Nachbarschaft und sagten Fleischverse auf z.B.: „Wir haben gehört ihr habt geschlacht’ und habt so dicke Wurst gemacht, gebt mir eine lange die kurze lasst an der Stange.“ oder „Ich hab gehört ihr habt geschlacht’ und große und kleine Wurst gemacht, gebt mir eine Kleine, die eß ich ganz allein, gebt mir eine große, die steck ich in die Hose, gebt mir den Magen, auch den könnt ich vertragen.“

Am Nachmittag des Schlachttages, während die Wurst im Kessel garte, spielten die Männer oft Karten, auch wurden die Kinder zu ihren daheim geblieben Müttern geschickt. Die Mutter bekam ein Eimerchen voll Wurstbrühe aus dem Wurstkessel, darin einige Stücke Kesselfleisch. Andere schickten als Schlachtgabe einen Teller voll Kartoffelsalat mit Kesselfleisch und Leber. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts kam die Sitte auf, Leber— oder Blutwurst oder gar Gehacktes in Büchsen abzufüllen. Die Büchsen mussten noch am Schlachttag verschlossen werden. Ein Höhepunkt des Schlachtfestes war das Abendbrot. Da gab es meistens Vogteier Geschmink, dass im Ofen des Bäckers gegart wurde. Dieses Geschmink bestand aus einem in der großen Pfanne bereiteten Kartoffelgericht. Auf dem Grund lag eine Menge Fleisch, die darüber geschichteten Kartoffelwürfel wurden mit viel Kümmel bestreut. Das ganze wurde mit einigen Birnen garniert. Später gab es zum Abendbrot Kartoffelsalat und frisch gebratene Wurst, aber auch Kesselfleisch, Leber und Nieren wurden serviert.


Aufzeichnung Paul Karmrodt